Heute



1993 - 1996

Die Gefahren einer erneuten Zerstörung des Löwentempels drohen: Wind, Sand und Regen setzen dem neuerrichteten Tempel zu. Besonders die Oberfläche der feinen Reliefs leidet unter der Winderosion. Es gilt, den Tempel vor der weiteren Erosion zu bewahren. Leider haben chemische Verfahren zum Schutz der Tempelwände versagt.
Die Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin hat sich zusammen mit dem Institut für Sudanarchäologie und Ägyptologie der Humboldt-Universität zu Berlin zur Aufgabe gemacht, die Denkmäler des Sudan und speziell die von Musawwarat es Sufra zu erhalten. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist die Projektierung, Finanzierung und Erhaltung einer Schutzbepflanzung um den Löwentempel. Ein natürlicher Schutz kann dauerhaft zur Erhaltung beitragen: eine Schutzbepflanzung rund um den Tempel hält den Sand zurück, bricht die Kraft des Windes und schützt so die wertvollen Reliefs vor Erosion.
Schutzbepflanzungen wurden in anderen Bereichen schon erfolgreich angewandt. Ihr Einsatz zum Schutz archäologischer Denkmäler wäre neu in der Region und kann Signalwirkung für einen ökologisch orientierten Denkmalschutz haben.
Ein Bestandteil dieses Projektes ist es, eine audiovisuelle Dokumentation des Grabungsplatzes von Musawwarat es Sufra zu erstellen. Die entsprechende Arbeitsgruppe unter meiner Leitung beschäftigt sich mit videogestützter Dokumentation und Computermodellen der Tempelanlagen.

Computermodell Tempeleingang (360 KB)
Dies führte zu Überlegungen, wie man moderne Computertechnik im Dienste der Bewahrung von kulturhistorisch bedeutenden Altertümern einsetzen kann.
Ein Video, bestehend aus Computeranimations- und Realsequenzen, wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten und Absichten erstellt. Es soll einerseits den interessierten Laien, und andererseits auch den profunden Kenner der Materie ansprechen. Dies gilt für die Bereiche der Archäologie (im besonderen der Sudanarchäologie und Ägyptologie) und Computeranimation.

Ich möchte zeigen, daß es mit modernsten Techniken möglich ist, einen visuell ansprechenden Beitrag über kulturhistorische Zeugnisse der Menschheitsgeschichte zu gestalten.

Der Computer ermöglicht uns, riesige und teilweise abstrakte Datenmengen so aufzubereiten, daß sie auch komplizierteste Sachverhalte auf relativ einfache Art und Weise verdeutlichen können.
Bei dem Löwentempel von Musawwarat es Sufra handelt es sich um ein relativ leicht zu rekonstruierendes Bauwerk, bei dessen Rekonstruktion immer mehr Fragen auftauchten, die nur mit Mühe zu lösen waren, bzw. nur in Annäherung an das Original gelöst wurden.
Hier zeigen sich die phantastischen Möglichkeiten des Computers, wir an Tempeln oder anderen Objekten Manipulationen oder Rekonstruktionsversuche vornehmen zu können, ohne das Original berühren und dadurch beschädigen zu müssen. Wer gibt uns das Recht zu sagen: "So hat dieser Tempel vor 2000 oder 3000 Jahren ausgesehen!"? Jeder kann seine Meinung dazu kundtun und muß dazu nicht das Original verändern und dadurch weiter zerstören.


Modellierung und Animation des Löwentempels

Ausgestattet mit den Meßdaten des Löwentempel, vielen Fotos, reichlich Optimismus und Phantasie begann ich im August 1993 am Rechenzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin an einer IRIS Crimson von Silicon Graphics Inc. (SGI) mit dem Softwarepaket GIG 3D-GO an der Realisierung einer Computeranimation des Löwentempel zu arbeiten. In nur einem Monat wurde der Tempel im Computer modelliert und eine Animation erstellt. Bedingt durch die begrenzte Zeit und meines noch mangelndes Wissen in der Bedienung des Programms wurde der Löwentempel buchstäblich in den Sand gesetzt. Durch eine einzige falsche Koordinateneingabe stand der Tempel zur Hälfte im Wüstenboden. So konnte das geplante Video nicht wie vorgesehen zu einer Ausstellungseröffnung im September 1993 gezeigt werden.
Das Rechenzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin bot mir an, mein Projekt im Rahmen der Multimediagruppe zu vollenden. Von Januar 1994 bis Januar 1995 arbeitete ich als studentische Hilfskraft mit dem Softwarepaket WAVEFRONT an der Neuerstellung einer Computeranimation.

Computermodell innere Nordwand (384 KB)
Der Tempel wurde komplett neu im Computer modelliert. Hier merkte ich, daß die mir zugänglichen Daten des Tempels nicht ausreichten, um alle Fragen nach genauen Maßen des Tempels exakt zu beantworten. Es kam immer wieder zu Ungenauigkeiten, die ich nicht beheben konnte. Der Produktionszeitplan kam immer mehr in Verzug (geplante Fertigstellung im April 1994).
Ich entschloß mich im Februar 1994 zu einer Studienreise in den Sudan. Eine Woche wurde genutzt, um Fotos und Meßdaten des Löwentempels von Musawwarat es Sufra zu sammeln.
Die gewonnen Erkenntnisse flossen in eine genauere Rekonstruktion des Löwentempel ein. Durch Verwendung von Photo-CD-Bildern und gescannten Umzeichnungen der Reliefs aus Grabungspublikationen gelang es, ein Modell zu erzeugen, welches dem Löwentempel schon sehr nahe kam.

In dieser Phase der Arbeit wurden die Grenzen von Hard- und Software immer deutlicher. Eine weitere Verschiebung des Zeitplans ließ sich nicht vermeiden.
Mit einer gut ausgerüsteten IndySC, einer IRIS Indigo2 Extreme von SGI und dem Softwarepaket PRISMS gelang es in kurzer Zeit, meine Vorstellungen der Computeranimation umzusetzen.
Auf Grund der sich ergebenden riesigen Datenmengen - Modelldaten ca. 170 MB und errechnete Bilddaten ca. 18 GB - und daraus resultierender extremen Rechenzeiten wurde ein Großteil der Bilder von der Fraunhofer-Gesellschaft in Stuttgart an Grafiksupercomputern von SGI berechnet. Diese errechneten Bilder wurden mittels des Video-Sequenzspeichersystems des Rechenzentrum auf Betacam-SP-Videoband aufgezeichnet.

Computermodell Tempelfront (280 KB)
Um die Arbeit der Stuttgarter Computer zu verdeutlichen, sei erwähnt, daß für die Berechnung eines DIN-A3 Überformatbildes des Tempels eine SGI Skywriter mit 128 Mbyte RAM auf zwei Prozessoren 24 Stunden rechnen mußte.
Alle Nacharbeiten wie Schnitt, Vertonung und Formatumsetzungen erfolgten in der Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Lehrmittel der Humboldt-Universität zu Berlin.
Das fertige Video wird der Humboldt-Universität zu Berlin und der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin zur Verfügung gestellt. Es soll einerseits als Anschaungsmaterial im Unterricht, andererseits als Beispiel der heutigen technischen Möglichkeiten im Rahmen der Archäologie genutzt werden.