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UnderCover 

Das kleine Format ist bei bildenden Künstlern nicht sehr beliebt in einer Welt, in der Aussagen nur noch auf Plakatwänden auffallen, so scheint es. Wenn die Geschichte der Medien die Geschichte einer Konkurrenz ist, begann sie mit einem Vorsprung. Die Dichter hatten die Montage entdeckt, als die ersten Fotografen noch Stunden brauchten, um ein einzelnes Bild zu entwickeln. 

Es war, als hätte die Literatur den Film erahnt und als er kam, genossen sie gemeinsam den Rausch der sich überstürzenden Eindrücke. Das Drehbuch wurde erfunden, später der Rundfunk mit dem Hörspiel begrüsst. Als das Fernsehen sich breit machte, fand es die Schriftsteller schon in skeptischer Distanz. Multimediales Spiel mit Video, Performances und Installationen dachten Maler und Musiker sich aus, deren Zaungäste manchmal auch Dichter waren.

Gerade mit den neuen Medien lässt sich auf alte Techniken zurückblicken, so jedenfalls lehrt A.J. Weigonis Erfahrung bei Projekten der letzten Jahre. Bei seinem neuen HörBuch "1/4 Fund" verlässt sich auf den ältesten Special-Effekt, den die Menschheit besitzt: Die Stimme! 

Das CD-Format ist 120 x 120 mm ein kleines Format, das einen Versuch wert ist. Neben einem "normalen Cover" erscheint "1/4 Fund" als Künstler-Buch, in limitierter Auflage von maximal 10 Exemplaren.

Weitere Informationen unter:
www.bilder-raum.de
 

Projektbeschreibung:
Bildnisse, Architextur für ein virtuelles Museum


von Andrascz Jaromír Weigoni


Direktorin des virtuellen Paul Pozozza Museums: Prof. Almuth Keusen
Kustodin: Nadja El-Fayoumy
Musiker: Karl-Heinz Blomann, Phillip Boa, Kurt Dahlke, Frank Fenstermacher, Frank Michaelis,
Tom Täger, Bernd Wiesemann
Schauspieler: Kai Mönnich, Marion Haberstroh, Markus Kiefer und Carmen dal Fogo
Bildende Künstler: Peter Meilchen, Julia Lohmann, Britta Helmerdig, Marcel Hardung, Jürgen Diehl, Birgit Jensen, Anna Jacquemard, Almuth Hickl, Bernd Ikemann, Katja Butt
Texte von: Ferdinand Kriwet und Sigrid Ortwein
und Bildbeschreibungen von Andrascz Jaromír Weigoni

Seit etwa einem Jahrzehnt arbeite ich an der Schnittstelle zwischen Literatur, bildender und akustischer Kunst. Ungefähr über die Länge dieses Zeitraums betreibe ich poetische Studien über Kommunikationsmaschinen.

In der Auseinandersetzung mit meinen Stoffen, sei es in der Prosa oder beim Hörspiel stehe ich immer wieder vor dem gleichen Problem: wie lasse ich bei meinen Lesern / Hörern Bilder im Kopf entstehen, die die Bilder meiner Leser und Hörer sind?

Weitere Fragestellungen sind:
Die Wirklichkeit eines gespeicherten Bildes ist seine fast universelle Einsetzbarkeit, die Tatsache, dass es uns einfach zur Verfügung steht und ungeachtet seiner einstigen Bedeutung immer wieder neu erscheinen kann. Lassen sich Original und Wirklichkeit in der Welt der Medien noch unterscheiden, oder ist die Authentizität des Produzenten die Wirklichkeit?
Muss die Realität zur Kunst werden, um eine künstliche Realität zu schaffen?
Gibt es noch unverbrauchte Sprach-Bilder?

In der Sammlung »Bildnisse« finden sich Arbeiten, die in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern, oder als Reaktion auf die Arbeit von bildenden Künstlern entstanden sind.
Aus Bildern wurden Sprachbilder.

Die Umsetzung der »Bildnisse« geschieht durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Unterschiedliche Klang-Künstler wie Karl-Heinz Blomann, Phillip Boa, Der Plan oder Frank Michaelis setzten oder setzen die Texte akustisch um. Darstellende Künstler interpretieren die Textvorlage und setzen sie in Gaumentheater um.

»Bildnisse« ist ein CD-ROM Katalogprojekt bei dem Bilder nicht nur abgebildet werden. Der Besucher des virtuellen Paul Pozozza Museums kann die akustische Umsetzung anklicken und anhören, die Texte anklicken und lesen. Er findet einen Prolog, zwölf Bildnisse, eine Suada und als Appendix eine Ausstellungseröffnung.

Vorworte

Wir existieren, weil wir kommunizieren. Wir leben, indem wir kommunizieren. Zeitliche und räumliche Distanzen überwindend, benutzen wir zur Kommunikation neben der gesprochenen Sprache vornehmlich die Zeichen der Schrift in allen Dimensionen. In Ergänzung der auf nur wenige Zeichen beschränkten normierten Buchstabenschrift, in Ergänzung des Alphabets, bedienen wir uns im Alltag permanent ergänzender, unterstützender schriftunabhängiger Sichtzeichen zur Verständigung. Wir sehen uns an. Wir sehen aneinander vorbei und übersehen einander. Wir schlagen die Augen nieder und reißen sie auf. Wir lachen, schmollen, weinen, werden blaß und rot... Wir verneigen uns voreinander und in die Himmelsrichtungen, in denen wir unsere jeweiligen Götter vermuten.

Wir spucken aus. Wir küssen einander. Wir küssen die heilige Erde, den geweihten Ring, den Fuß, den Altar, das Foto, den Fetisch, die Fahne. Wir stehen aufrecht. Wir stehen stramm. Wir schreiten. Wir tanzen. Wir knien. Wir zittern. Ringe verbinden uns, bis der Tod uns scheidet. Wir zählen mit Punkten, Kugeln, Perlen und Strichen. Wir machen unser Kreuz auf Wahl- und Totoscheine. Wir entwerten Sparbücher, Ausweise, Fahrkarten durch Löcher. Wir sind linientreu. Wir folgen unterbrochenen und ununterbrochenen Linien, Richtungspfeilen und Leitplanken im Verkehr. Wir übertreten Bannmeilen und Grenzen. Wir befolgen rote, gelbe und grüne Lichtsignale. Wir verbrennen Bücher, Puppen und Menschen. Wir entzünden Fackeln, Kerzen und Olympische Feuer. Wir weihen Wasser und sprengen es über Menschen und Waffen. Wir schlagen das Kreuzzeichen und folgen dem Hakenkreuz. Wir kämpfen mit roten, schwarzen, farbigen Fahnen und ergeben uns mit einem weißen Tuch. Wir trinken Christi Blut und essen seinen Leib. Wir errichten Triumphbögen, Pyramiden, Obelisken, Freiheitsstatuen, Kathedralen, Fernsehtürme. Wir frankieren unsere Briefe mit Marken und tauschen Geld in Münzen und Scheinen. Wir signieren Schecks, Briefe, Verträge und hinterlassen Fingerabdrücke in den Karteien. Wir kritzeln Erotika und Sadistika, Telefonnummern und Treffs auf Pissoirwände und Himmel und Hölle auf Schulhöfe. Wir ritzen Namen und Herzen und Pfeile in Baumrinden und Schulbänke. Wir brennen Tieren, Waren und Menschen Besitzzeichen und Kennzeichen ein. Wir stempeln Dokumente und Konsumgüter. Wir schminken und schmücken uns. Wir tragen Federn an den Hüten und Gürtel um die Hüften. Wir geben den Gegenständen, den Farben, den Formen, den Zeiten, den Richtungen, den Gesten und Bewegungen Bedeutung. Wir tragen weiße Kleider als Zeichen der Unschuld zur Hochzeit und schwarze Kleider als Zeichen des Todes zur Trauer. Rot sind der Kommunismus, die Liebe und das Blut. Wir fasten an Fastentagen, gedenken an Gedenktagen, feiern an Feiertagen. Rechts ist gut und links ist böse. Wir steigen auf. Wir steigen ab.

(aus COM.MIX von Ferdinand Kriwet 1972)

Prolog

Schland - Ohr-Ratorium für einen stummen Film

continuum: draussen in der heilen natur. grillen zirpen. vögel girren. von zeit zu zeit muhen kühe. kuhglocken läuten.

sprecher 1, grübelt: Schland, Schland ist alles Gebilde von Menschenhand...

sprecherin aus weiter ferne, singt: Ein schöner Schland in dieser Zeit / ein schöner Schland in dieser Zeit / endlich sind wir vom Reim befreit / was wir erfinden erweckt die Blinden / zur Winterszeit / (leiser werdend) ein schöner Schland in dieser Zeit / ein schöner Schland in dieser Zeit... (summen)

saxophonist greift das thema auf, führt es weiter und zersägt es.

sprecher 2, preussisch - zackig: Deut-Schland, Deut-Schland, Deut-Schland...

sprecher 1, geheimnisvoll: Ein Feuersalamander schlängelt sich über das Fliegengeschlander.

spöttelndes saxophon.

sprecher 2, preussisch - zackig: Phot-O-Graf-Vieh, Phot-O-Graf-Vieh, Phot-O-Graf-Vieh...

almatmo kuhmuhen und kuhglocken geht über in sopransax.

sprecherin, erotisch: Verführung der Blicke in Teuschland. (seufzer, dann spitz) Die Macht der Bilder und die Bilder der Macht. Wenn durch die Photographie die Seele zerstört wird, kerkert der Film die Lebendigkeit ein. (gelangweilt) I`ve been photographed to death. Hah...

kameraklacken.

sprecher 1 hält eine verquaste vorlesung: Nur die Fiktion ist noch wirklich, weil die Wirklichkeit durch mannigfaltige Wahrheiten verunstaltet wurde. Der permanente Aufnahmezustand, mit dem wir unsere Neugier zu befriedigen suchen, lässt uns in einer Überinformation ertrinken. Nichts zählt mehr, weil alles wirklich sein könnte. Echtheitszonen werden nur noch im hautnahen Bereich abgefragt.

kameraklacken.

sprecherin, nachdenklich: Willentlich verwischte Wirklichkeiten sind eigentlich nur noch mit dem schattigen Tasten der Wimpern abfahrbar. Trübe Lider zwinkern zwanghaft. Reflexzonen.

ticken geht über in ein bombastisches synththema

sprecher 2, pfaffenmässig: Du sollst Dir kein Bildnis machen!

kameraklacken.

sprecher 1, sachlich: Der eingefrorene Blick. Das Motiv. Der Auslöser. Das Negativ. Der Abzug.
Das Bild.

sprecherin, lacht: Die Objektivität des Bildes, mein Lieber, ist schon längst Legende. Wirklichkeiten werden über Pixel geregelt. Die allerletzten Wahrheiten befinden sich definitiv vor ihrer digitalen Auflösung. Unsere Aura ist wahrscheinlich verlorengegangen.

kameraklacken geht über in eine hektische grossstadtatmo.

sprecher 1 reportiert: Grossaufnahme. Realität als Phototermin. Recherche der Flüchtigkeit. Gnadenlos draufhalten. Eine Kamera als Waffe. Die Betroffenen werden in Einzelbilder zerlegt. Das Fahndungsplakat zeigt: Schlecht gerasterte Porträts.

kameraklacken - synth.

sprecherin: Es geht um die Gestaltung und nicht die Zerstörung. Der Asphalt ist die Schminke für die Landschaft. Der teerige Ausfluss trat unlängst über die Ufer und flutete diesen Sinn.

sprecher 1, sachlich: Der magische Moment wird im Alltäglichen ausgelotet. Das Einfangen der Flüchtigkeit des Moments auf dem Scheitelpunkt der Bewegung. Die Frage nach der Individualität in der Relation zum eigentlichen Aussehen gestellt.«

sprecher 2, ironisch: Jede Abbildung spiegelt letztendlich eine verborgene Landschaft der verbogenen Seele.

kameraklackengeht über in den sausatten synthwohlklingklang und kapriziert sich ein wenig.

sprecherin, packt die buntstifte aus: Fotografie, ein Aufnahmezustand! Was sonst? Menschenspuren im Sediment. Spurensuche. Koordinaten des Zufälligen. Ein flüchtiger Blick. Derart flüchtig, dass er kaum als Augenblick bezeichnet werden kann. Sich fahrig überschneidende Bewegungen. Jene des Vorbeihastenden / und die des Aufnehmenden. Der Sucher, das Fadenkreuz zum Aussen. Der unsichtbare Dritte ist der Besucher der Ausstellung. Der Betrachter und das Bild, ein Ruhezustand.

sattes ausklingen mit friedlicher atmo, zikadenzirp und froschquaken.

Die Galerie der Täuschungen

1. Bild

Risse. Mörtel. Eine Wand. Ein Bild. Wimpern. Augen. Davor, ein Blick. Ein weiterer...
Einblick: ganz genau dort weiter oder besser doch noch einmal zurückspulen und unter die Zeitlupe nehmen, jene Einzelbildschaltung, präzise das, dann allerdings längst, Vergangene zum wiederholten Male um Schamhaaresbreite abtasten, in der verzögerten Vergrösserung, den schweisstriefenden Porenkratern, jener kollektief bewussten Atemlosigkeit, dem kleinen Tod!?

Jedoch an genau dieser besagten Stelle: der eingefrorene Blick, zentriert im Fadenkreuz der, selbstverständlich subjektiven und teuflisch tosenden, Wahrnehmung. Zuerst, messerscharfe Kanten, welche die allzu neugierigen Fingerkuppen zurückhalten. Die Hände zum Verweilen in die Hosentaschen nötigen, demzufolge die Brennschärfe der Betrachtung erhöhen, sie in das Material eindringen lassen, jene pulsierenden Farbporen-Schichten-Schächte, Kanäle und Nebenwege. Auch interessierte Blicke lügen manchmal, heucheln Sachverstand und lassen den gespeicherten Moder von Theorie-Staub-Schichten vor die Linse rieseln...

Ausschliesslich grundierte Begründungen greifen taumelnd tiefer, verhaspeln sich im Ton, schlingern schlierend ab und finden sich auf dem dunkelsten Fleck des blubbernden Blutrot, auf diesem linken Seitenflügel des durch Stahlverstrebungen zusammenmontierten Tryptichons. Im packenden Widerspruch zur unvermindert starken Neigung sich auf die ausfransenden Ränder zuzubewegen, ins Orangerost hinüberzuwedeln oder sich im Extremfall auf das angedeutete Mausgrau zu retten. Allzu trügerisch glüht der blassrosa Himmel und jene im rostbraun verschwindende Gestalt. Auch sie scheint nur noch der, mit Hammer und Sichel, eingemeisselte Umriss einer geschichtlichen Figur zu sein, welche bereits in eine verklärte Ferne des bewussten Horizonts gerückt und dort den allgemeinen Stillstand dokumentiert, eingereiht in ein illusteres Wachsfigurenkabinett der Homunculi und Doppelgänger.

Es scheint nur so, als tarne sich hier ein Möbel als Bild, als bilde dieser Paravent etwas ab, stelle sich vor oder gar dar, nicht nur Farben verliefen sich auf dieser Fläche, Licht bricht sich unweigerlich auf den Pigmenten und gibt damit dem Ganzen eine Aura von unwiderstehlich saugender Suggestivität in diesem stimmungsschwankenden Übergang zwischen Ahnen und Wissen, nachweisen und aufspüren, der stämmigen Statik der Wörter, abseits einer rational dominierenden Intelligenz.

 

2. Bild

Stadtlandschaften. Flüchtender Blick. Zerhackte Sichtweise. Geschnitten im Takt des Verkehrsstroms. Schlieren. Das Erschliessen von Farb-Räumen. Eine Fremde in der Vertrautheit entdecken. Arbeiten, die Male des 20. Jotthades tragen, Konstruktionen bergen und damit die Funktionalität blossstellen.

Architextur. Zwar bewegen sich keine Figuren durch diese Räume, sammeln sich keine Gruppen auf diesem Platz, - doch es könnte sein, dass gerade jemand um die Ecke gegangen ist - oder sich eine Gruppe von Menschen in jenem Gebäude aufhält...

Türangel. Die Grundmetapher ist der Orientierungspunkt. Von dort aus: Verbindungen, wie etwa die einer Brücke über einen Fluss... Die Formulierung eines Ortes, der in seiner Verzeichnung auf ein Dahinter weist... hohem Stil und Distanz. Kulturelle Komprimierung.

Neon. Schrille, laute Farben die verletzten und über Verletzlichkeit sprechen, den Betrachter zu einem stummen Dialog herausfordern. Das Geheimnis ist so leicht zu finden, wie “Der entwendete Brief” in Poes gleichnamiger Geschichte. Es liegt selbstverständlich an der Oberfläche.

 

3. Bild

Räume und Zwischenräume. Wer sich in einer Zeit des forcierten Ausverkaufs künstlerischer Ideen den Luxus erlaubt, ausschliesslich mit authentischem Material zu arbeiten und dabei auf die skulpturale Kraft der Arbeiten vertraut, hat Mut.

Das Material: Holz als organische Komponente, Stahl als Stabilisator und Beton, der ja eigentlich nur drei Schritte vom Urgestein entfernt ist.

Eine der Arbeiten trägt den Titel “Das Rotationsprinzip oder völkerwandern bildet”. Das Rotationsprinzip leitet sich von der Form der Erde ab. Eine Rotation findet durch den Menschen statt, wenn er wandert, dies sollte er grenzenlos tun, ohne Grenzpfähle, Zäune und Stacheldraht zu beachten. Universell. Nun gibt es unterschiedliche Rotationen. Etwas, was sich um uns herum bewegt und das, was sich durch unser Denken bewegt.

Hier sind ja keine Spiralen dargestellt, die sich sowieso bewegen können, oder die den Ausgangspunkt darstellen. Schon allein die Umsetzung vom Aufnehmen über das Denken bis zur Wiedergabe ist eine Rotation.

Um es auf die Spitze zu treiben: Auch eine Schraube lässt sich drehen und überdrehen... dann dreht sie durch...

Es geht nicht darum, dass man in einen Körper einen festen Punkt hineinsetzt, das führt zu einem Kolbenfresser. Dies hier funktioniert so ähnlich wie der Wasserkreislauf, also in Bewegung.

Diese Arbeit bewegt sich, wie etwa kinetische Objekte nicht um sich selbst. Wenn man das Wort Rotation von der Mechanik her sieht, etwas, dass sich auf einer Achse dreht, wie ein Kugellager oder ein Motor...

Natürlich ist das von der rein physikalischen Lehre her die eigentliche Rotation.

Die Rotation bei dieser Skulptur geht davon aus, dass verschiedene Gegenstände in einem anderen Material abgebildet werden, die in der Mechanik nicht durch dieses Material funktionieren kann.

Dadurch, dass man diesen abgenommenen Raumkörper in den Raum stellt, merkt der Betrachter: 'Das ist die Ecke eines Raums'. Es soll sich das Gefühl öffnen: 'Es ist isoliert, ich kann mir also den Raum wegdenken'. Eben weil der Raum im Raum schon projiziert ist!

Wer sich auf diese Plastiken einlässt, wird sehr schnell einer Wechselwirkung gewahr, ein Spannungsfeld, in dem sich das Selbst-Verständliche neu artikuliert.

Künstler und Betrachter werden nicht aus dem sozialen Umfeld in einen keimfreien Ausstellungsraum abgezogen, sondern finden in den gedanklichen Räumen der Utopie zueinander.

 

4. Bild

Fahnen fallen aus dem Rahmen. Der Wind gibt ihnen eine poetische und skulpturale Kraft. Ob als schlaffer Luftsack ~ oder als vom Orkan geschichtlicher Ereignisse zerfetzter Fleckerlteppich einer nationalen Identität, Banner boomen zur Zeit nicht. Der kritische Regionalismus des ausgehenden 20. Jotthades erfährt in der Ausformung der altvorderen Fürstentümer ein irritierendes Rock-'n-Roll-back ins Mittelalter, eine Coverversion der Aufklärung scheint weder gewollt ~ noch beabsichtigt. Meta-Monarchien zuhauf, denn jeder Gimpel leistet sich einen Wimpel. Die Unabhängigkeit der deutschen Autofahrer findet im Fonds des Wagens durch die Beflaggung des Fussballvereins statt. Hochverehrtes Publikum, sie können sich selbstverständlich auf das hohe Ross setzen und mit einem mitleidigen Lächeln auf diese Arbeit herabsehen, aber Achtung! Auf ihrem Schutzschild prangt für alle sichtbar ihr Wappen. Werte Kritikaster, wie immer ihr diese Arbeit aus dem Geist dieser Zeit heraus bewertet, ihr hinterlasst den Abdruck eures Siegelrings.

Conclusio: Epilog auf das demokratische Zepter ~ die Standarte ~ das phallische Insignum der Macht. Begleiten wir unseren Altbundespräsidenten Heinrich Lübke mit seinem Dienstwagen auf seinen Weg zur Eröffnung der olympischen Spiele. Als Enkel von Hugo Ball war sein Erstaunen so gross, dass er beim Anblick in folgendes Lautgedicht verfiel: O O O O O.

 

5. Bild

Wie erfassen? Wie sehen? Wie erkennen?

Der Trugschluss im Traumschloss ... Ordnung scheint das 1/2 Leben zu sein ... wer Ordnung hält - ist nur zu faul zum ... auf der Fahrt durch die Stadt warnt uns das Autoradio vor dem neuen Verkehrsleitsystem ...

In einer Mischung aus Irritation und Faszination starrt auf den Symbolwust wissenschaftlicher Bücher. Die Methode, der Welt eine Struktur zu geben, erstarrt zur Formelhaftigkeit.

Auf der Suche nach Ordnung sind ihr wissenschaftliche Grafiken aus unterschiedlichen Publikationen zugefallen. In diesen Abbildungen naturwissenschaftlicher Ordnungssysteme findet sich Poesie ebenso wie Täuschung.

Auf der Suche nach Ordnung spürt dem Möglichkeitssinn nach, diese Bilder spiegelverkehrt gegen den Strich zu bürsten, die Schuppen auszuschütteln und sie in einer anderen - eigenständigen Ordnung, namentlich der Farben, anders zu sehen. Die Verbindung disparater Elemente, das Mischen von Ordnungsprinzipien aus unterschiedlichen Bezugssystemen, eröffnet die Chance die Welt mit Lust neu zu entdecken.

Die Wissenschaft müht sich, den Schatz der Erkenntnis zu vergrössern, das reizt dazu, mit ihren erstarrten Ergebnissen zu spielen... kombinieren... und letztlich: Bilder zu machen. Einer Kenntnis eine Erkenntnis vor die Nase setzen.

Wie das? Wissenschaftlich tun, Wissenschaften zeigen, hier als ein Zeichen im ganzen Bild. Und dazu der Evergreen = die Farbe als Farbe zu thematisieren, Räume zu schaffen; eine sinnliche Welt.

Das Ergebnis des Projekts Auf der Suche nach Ordnung ist eine Serie von Siebdrucken. Ein ästhetisiertes Diesseits, rasiermesserscharf am Schnittpunkt zwischen Graphikdesign und Kunst in DIN-Format A 1.

Wie wahrnehmen? Wie erblicken? Wie durchschauen?

 

6. Bild

Variation und Thema, die Zeichnung. Mittig ein Balken. Ein tiefes erdiges Sienna. Ein Balken, der das linke vom rechten Gesichtsfeld trennt. Zur rechten zwei Quadrate. Diese wiederum unterteilt in Dreiecke. Diesen wiederum verschiedene Farben zugeordnet. In der oberen Hälfte teilen sich Kobaltblau und Grün das gleichschenklige Rechteck. Im unteren Teil bestehen die Hälften aus einem dunklen Dunkelgrau und Schwarz.

Schwenk. Dem linken Gesichtsfeld sind im oberen Teil die Farben Nebelgrau und Ockergelb zugeordnet. Im unteren Teil eine Variation des dunklen Dunkelgrau, welches einem Blauschleier auf Schwarz gegenübersteht.

Totale. Diese geometrischen Trennungen sind nicht im strengen Designer-Look gehalten. Zwischen den Hälften und Vierteln rieseln kleine Farbkanäle.

Künstlerische Künstlichkeit. Man wendet sich von der vermeintlichen Sprengkraft, die dahinter vermutbar ist, erschreckt ab, um wenige Sekunden danach das Gesehene noch einmal zu überprüfen. Thema der Variation, das Bild.

 

7. Bild

Das Erhabene des Profanen ist Thema und Zentrum ihrer derzeitigen Arbeiten. Sie argumentiert mit vertrauten Bild- und Formfindungen. Die Ursprünge einiger Motive in den neuen Bildern stammen aus banalen Zusammenhängen: aus der Mustermappe eines Stuhlkatalogs.

Gebrauchsgegenständlichkeit. In der Übertragung des Korbgeflechts als Siebdruck auf Alu-Dibond erfahren die Motive eine unerwartete Komparation, nicht die Kunst einer entleerten Ideologie, sondern die eines trivialisierten Pluralismus. Das Maschenwerk bietet eine Spielfläche für die Tönung. Vorteilhaft hervorgehoben wird die Wirkung der Farbe durch den Aluminium-Glanz.

Das Profane wird zum Erhabenen.

Vom Erhabenen zum Lächerlichen jedoch ist es oft nur ein kleiner Schritt. Begibt sich Kunst in den öffentlichen Raum, so muss sie schon fast wieder monumental sein, um in den ’90er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Zeichen gegen die Werbeflut des grellen Designs zu setzen ohne es selbst zu sein.

Ähnlich wie bei den Arbeiten auf Aluminium setzt sie mit Leuchtkästen auf eine intensive Farbwirkung, die in diesem Fall durch das von hinten kommende Licht unterstützt wird. Damit treffen auf der Spielfläche des Plexiglas zwei unterschiedliche Lichtquellen aufeinander. Zwischen Licht und Schatten wechselt die Intensität der Farben, so scheint es.

Die Bank als Träger der Kosten. Das Gebäude als Sockel für die Arbeit. Das Bild als Teil der Architektur und somit fiktiver Bestandteil des Stadtbildes.

Die Farbräume gestalten eine Bildarchitektur im Spannungsfeld zum architektonischen Raum. Weithin sichtbar leuchtet im “öffentlichen Raum” auf dem Dach der Landesbank ein Bildobjekt = Illuminierter Reflektor — Malerei auf dem Sprung in ein anderes Blickfeld: die Dreidimensionalität, - so “scheint” es.

 

8. Bild

Der Blick, forschend. Ihre Kamera, ein Wahrheitsautomat. Sie bildet nicht ab, sondern zeichnet mit Licht. Tastet Raum / Zeit / Landschaft nach Anmutsmustern ab, inszeniert in einem Gestaltungsfeld imaginäre Ansichten blühender Landschaften. Sequenzen. Die Erinnerung des vorherigen Bildes wirft den Schatten auf das Nächste. Schnitte. Prickelnde Beunruhigung in grossartiger Verwahrlosung. Das Gefühl der Versunkenheit.

Achsensprung. Die zuweilen orientierungslose Künstlerin schafft sich eine bildmächtige Behausung. Doch wie sich ihre Poesie ein Überall sucht, drängt sich das Leben mit seiner konkreten Formensprache in das Jederzeit eines Bildes. Reduziert auf sein Wesentliches wird jedes Ding charmant, denn in der Nähe zum Einfachen gestaltet sich jede Suche nach komplexen Zusammenhängen erst lebendig.

Brennschärfe. Durch jede Komplexität leuchtet ein einfacher Beginn. Hier, so scheint es, liegt die Zielsetzung ihres künstlerischen Tuns. Hinter jedem übermächtigen Durchschauungswillen die einfache Formel erkennen. Verstehen ist auch ein liebervoller Akt des Scheiterns. Mit beharrlicher Konsequenz arbeitet sie am LichtBild der Zeit und sucht sie in ihren Arbeiten wohl, sich kontrapunktisch etwas wesentlichem anzunähern, der Schneckenspur des stetigen Bemühens ein einziges leuchtendes Sekret abzusondern... und das in der Gelassenheit, sich auf diesem Markt nicht mehr behaupten zu müssen.

 

9. Bild

Ein roter Pegasos wendete unlängst sein Haupt. Einem aufstrebendem schwarzem Ballon zu, dessen Tentakeln sich gerade eben vom Boden gelöst haben. Kein Korb für Mitfahrer.

Zurück wird eine staunende Menge bleiben; - ausserhalb des Bildausschnitts, in einem Flimmer, den man auch für eine Fata-Morgana halten könnte...

Verdunsten in Schleierschwaden.

Eine Schichtung, die in der Transpiration spürbar ist. Spuren.

Sandwich, eine über die andere Verfahrensweise stülpen, durchsichtig sein. Transzendenz.

Die Luft wird dünner.

In der oberen Bildhälfte, vielleicht über der Stratosphäre, herrscht ein diffuses Farbflirren, das ohne Schattenriss ineinander übergeht, und sich scheinbar in die Spektralfarben auflöst.

Wen wunderts, wenn die Borte mit blauem, durchsichtigen Papier keine starre Rahmung bildet?

 

10. Bild

Aufblende —

ZwinKern / sprachDeflorationen: weisse SichtScheibe des FernSehApparats / schwarzes, }aufReizEnd langsam{ - nach unten sinkEndendes - Kabel / begleitet von einer SummSirrSchnellLaufen, den Ode an: das Frequenzband vom = Ende & / oder Anfang der Skala / BlinDzeln / nichts geschieht,- ausser den Ritualen des Alltags / befreit vom MitTeilungs/zwang / ... / Die Freiheit der ästhetischen Genauigkeit, durch die sich diese Arbeit aufbaut. MederMeditation / maschinelles Mantra...

— Abspann.

 

11. Bild

Mahnung. Ahnung. Bannung. Fläche. Wand. Farbe.

“Tauchet ein, tauchet ein, der Maler macht die Wände fein.”

Monochrom mecklenburgisches Winterblau. Zwanglos zufälliger Zugriff auf: Blaue Blumen. Die Überwältigung der Sinne, - durch das Ideal.

In einen Raum hineingreifen. In die Räumlichkeit eingreifend. Dieses Wirkungsfeld bricht über die Farbe auf. Scheintüren markieren einen Übergang. Das Acryl bezeichnet die Höhe der Nische.

Das Tuch macht die Höhe des Raumes kenntlich. Lappen. Laken. Segel. Wallende Gewänder, Totenhemden. Der Mensch als Masstab. Schwankende Planken.

Das Format, rechteckig. Die Form der Tür, Deckel für einen Sarg. Portal. Die Räume hinter den Räumen.

Bilder ausschwitzen. Farbe abtropfen lassen. In Acryl giessen. In rohen Nesselstoff sickern lassen. Eine gleichmässige Struktur. Ein Raster. Farbe manifestiert sich im Material. Als Material. Im Fluss. In Fluss. Im Farbfluss. Die Schwelle zwischen Wand und Grund wird überbrückt. Farbe löst sich von der Begrenzung. Wuchert. Ein Delta zwischen Mauer und Boden.

Keine Runen. Keine Symbole. Keine Zeichen. Entrümpelung. Entleerung. Der Überhang wartet auf die Bespannung. Auf die Rahmung. Nichts wird verborgen. Nichts wird unter den Teppich gekehrt.

Tauchet ein, Tauchet ein...

 

12. Bild

Eine Frau sitzt auf einem freischwingenden Stuhl. Sie hat das linke über das rechte Bein gezirkelt. Ihr Fuss, der in einem roten hochhackigen Schuh steckt, zeigt nach unten. Die in der Farbe des Schuhes lackierten Zehennägel ihres rechten nackten Fusses berühren den Linoleumfussboden. Neben der Ferse liegt der andere Schuh. Die Hacke ist abgebrochen und zeigt mit dem spitzen Ende in Richtung des Betrachters. Über dem Knöchel umreift ein goldenes Kettchen den Unterschenkel. Der schwarze Seidenstrumpf hat ein Loch, aus dem die in der Farbe des Schuhes lackierten Zehennägel obszön herauslugen. Der rechte Unterarm liegt auf dem linken Oberschenkel. Die linke Hand umfasst die Kniescheibe. Die Farbe der lackierten Fingernägel gleicht der Farbe der lackierten Fussnägel. Über den linken Ringfinger hat sie einen Diamantring gesteckt. Der Daumennagel ist eingerissen. Das Nagelbett ist entzündet. Hinter der blassen Hand befindet sich, nicht ganz verdeckt, ein grosses Loch im schwarzen Seidenstrumpf. Um die Oberschenkel pellt sich ein lederner Minirock. Am rechten Oberschenkel ist der Rock zurückgerutscht. Die Frau trägt Straps. Im freiliegenden Bauchnabel glitzert ein Hauch Strass. Ihr Oberkörper ist leicht vorgebeugt. Von den Schultern hängt eine seidene Bluse herab. Die Bluse ist nicht zugeknöpft und gibt den Blick auf den roten BH frei. Der rechte Arm ist angewinkelt. Ihre rechte Hand liegt auf dem linken Schulterblatt. Um den Schwanenhals hängt ein goldenes Kettchen. An dem Kettchen hängt ein Emblem. Darauf ist ein Adler zu erkennen, der eine Schlange in den Krallen hält. Das Kinn fliesst in einer eleganten Rundung in die gepuderten Wangen über. Die Ohrläppchen sind angewachsen. Die Farbe des sinnlichen Mundes gleicht der Farbe der Fingernägel. Die spitze Nase ist ihr einziger Makel. Das raffinierte Arrangement des Lidschattens lenkt geschickt davon ab. Die grünen Augen sind tollkirschenweit aufgerissen. Das Fragment der Augenbrauen besteht aus einem Strich. Ihr langes kupferrotes, nach rechts gescheiteltes Haar fällt glatt auf die Schultern herab. An der Schläfe befindet sich ein Einschussloch.

 

NachSchland, eine Suada

... die Tiefenschärfe des männlichen Blicks, die weiche Wahrnehmung der weiblichen Weichzeichner...SehStücke für Tiefseetaucher, kreativ, kreatief heraus, heraus aus dem Innerersten, herausgeschleudertes Eruptivgestein, enthemmte Schreie, welche die Stille zerfetzen & rastlos weiter, diese Geschichten von gereimten Wahrheiten & der ungereimten Würglichkeit & Stress-Zigaretten, die den Aschenbecher überschwemmt haben, Ideenleichen, Worthülsen & wieder spülte eine Welle an den Strand, immer wieder, immer weiter, immer tiefer, Monotonie kann kein guter Freund sein, allenfalls eine unsichtbare Gegnerschaft, im Continuum rutschen wir in die nächste Schicht & das Radio einschalten, an der Skala kurbeln, Weltempfänger, auf dem Sender, zwischen den Stationen, Zwischentöne am Ende des Frequenzbandes, schrill & weiter mit Getöse mit unscheinbarem, Nachrichten, Objektivitätsspiegelungen & Verschleierungen & Beziehungspampf, Seifenblasengeflüster in Wind & Zeit, von ihr ist öfters die Rede, auch hier, dort & anderswo & Reime, sie ziehen meist eine gefährliche Schleimspur hinter sich her, für die kein Aufnehmer reicht, deutsche Dichter im Schneckenhaus der neuen Nabelbeschauerlichkeit, viel ist in diesen Zeiten die Rede von Gefühl & Härte & vor allem von Formen, die es zu sprengen gilt, globale Vereinfachungen & Vorwürfe prallen an der Gummiwand ab & die Mittelmässigkeit dämmert herauf & eine gemütliche lange Weile & Einsamkeit als Zündholz, was bleibt ist der Zufall & löffelweise zartbitteres Selbstmitleid, gesüsst mit einer Prise Zyankali & natürlich die Liebe, sie ist immer ein paar wunderwarme Worte wert, trunken von der Inniglichkeit & seit Jahrtausenden von den Dichtern umschlichen, umgarnt, umarmt, muss sie wieder herhalten, als Trumpfkarte in der Dreierbeziehung, mit dem mannhaften Partner Eifersucht & der wollüstig weiblichen Leidenschaft & alles besitzen, dazu ist jedes Mittel recht um aus der Sachlage zu fliehen = Tagträumer & Traumtänzer, Seiltänzer auf dem Jahrmarkt des grossen Karussells, von dort abspringen, aussteigen - oh mystisches Wort des vergehenden Industriezeitalters - vorbei des Irrglaubens, die Geschwindigkeit ist zu hoch, wir kommen unter die Räder & Kompromisse, nach & nach, bis das Quietschen ohrenbetäubend wird & das Karussell durchdreht & der Spuk sich in verbrannte Erde verwandelt, denn es wird nicht auffallen, die Utopie verblasste im Dichternebel des Horizonts & wir kennen unsere Fehler genau, so genau, um sie wieder & wieder & weiterhin zu machen, wie der Sturm, der scheinbar sinnlos die Baumkronen zerfetzt, im Herbst, der rauschhaften Jahreszeit & da nützt es nichts, immer wieder neue Wege zu suchen, wenn wir nicht bald zur Strasse kommen, zur breiten, die den Ideen freien Spielraum gibt & weiterhin hilft es den Narren auszulachen, jeder ist ein Narr, jeder übertrifft sich darin, im irrsinnigen, ursonnigen Gelächter der Selbstfindung, Selbsterfindung & weiterhin Fehler in Fliessbandarbeit, Schneewittchens Tod war selbstverständlich auch nur vorläufig & Bewegung, unverbrauchter Inhalt, auf der Fahrt mit dem Schienenbus, Ausstieg in Zwischenstationen, Haltepunkten & diese Leere, als wären alle bisherigen Ideen gestrandet, am Kliff, auf der Insel, im Bewusstsein, denn es wird enger, der Freiheitsspielraum schmal und der Wahnsinn real, nebst anderen Zufällen, als wäre dieser Zeitraum nur eine Reprise & Gefühle, solche mit anderen Wertigkeiten, werden versteckt, hinter der Gasmaske der Neuzeitlichkeit, auf den Müll damit, den einige hochtrabend Weltgeschichte nennen, in den Nachrichten, am Morgen, unerbittlich & Unterschiede von der Länge einiger Tage & ihrer Tiefe & Depressionen, die natürlich nicht unerwähnt bleiben dürfen, bitte auf dem Sofa platznehmen & andere Modeerscheinungen, grell über Gebühr geschminkt & diese Sackgasse bietet nur die Möglichkeit zur Umkehr & wieder auf der, die der Regen aufgeweicht hat, die Fusspuren des Regenmachers sind noch zu erkennen & weiter mit dem treibenden Element, der Sehnsucht nach dem, was wir für das wirkliche Leben halten, weiter um die nächsten gedanklichen Ecken herum, an denen am frühen Morgen Strassenkehrer die Ideen der betrunkenen Begabten aufkehren, um sie auf den Müllhaufen zu werfen & letztlich & immerwieder der ultramarine Blues, der immerunerwartet kommt & klingt, erst jenseits des Meeres ausklingt... & natürlich wieder die Frage, ob & welches Ziel man denn verfolge, einfach Ja sagen & zur Verschleierung das nette Wort Differenzierung benutzen, falls das immer noch nicht helfen sollte, eine Diskussion über Primzahlen beginnen, denn es ist nicht leicht, die Enzyklopädie eines Augenblicks aufzuschreiben, geht es doch um die wahren Empfindungen & jene lassen sich aus dem subjektiv verbarrikadierten Blickwinkel nicht beschreiben, sie sind spontan, was immer dieses Wort auch bedeuten mag, so inhaltsschwanger & sonst gar nichts, nicht etwa der Klangeintopf einer Rough ’n Roll-Gitarre & nicht etwa Novembernebel, der die Städte in Neonwüsten zerteilt & wenn wir keinen Halt finden, werden wir weiterfallen, wie Newtons berühmter Apfel, der inzwischen verfault ist & wir machen immer noch diese Gratwanderung über Buchstaben & ungesagte Sätze, doch was nutzt es den Leser aufzufordern, zwischen den Zeilen zu lesen, dieser unbemerkte Nebensatz fällt heraus nach all den Jahren der Schlaflosigkeit & Protest ist nur dort gefragt, wo er vermarktet werden kann, sagt der Nebensatz, ist auch eine Aussage, eine Frage, auf der unser vakuumverpacktes Leben, eingewickelt in eine atemlose Sprachlosigkeit dahintreibt, auf Wellen nackten Leders, jenseits der Schatten, im Zwielicht, ein mitternächtliches Flüstern in der Stille & zerplatzende Regentropfen, die kleine Löcher in den Asphalt bohren & Blumenkinder warten am Strassenrand auf den Erlöser, stricken Blumenmuster in den Staub & Märtyrer sterben immer im Namen des Volkes & ein nimmermüder Geduldsfaden durchzieht die Sprache, Wörter tauchen auf & verschwinden wieder, nur die Stille kann über ihre Ufer treten, allerdings nur bei Ebbe, der Auslauf der Dinge, zur Todesruhe, die satte Zufriedenheit liegt erdolcht am Boden & das Leben geht weiter, von einem Stromschlag zum nächsten, bis hin zur Überdosis & Erwachen aus dem Gedankenschneegestöber, hin zum konkreten Weg, zur Fortsetzungsgeschichte, zu den Gesichtern, die auftauchen, in einem Strudel des Hirns, logisch ist hier nichts mehr, die Poesie fängt an zu träumen & Geschichten von Narren, vernarrt in ihre Gedanken, vernarrt in die Bewegung, die immer Südwärts geht, um die Hektik abzustreifen & Verschleisserscheinungen, um im Meer des klaren Bewusstseins zu erwachen & Möwen betrachten die über Fragezeichen kreisen, bald werden sie verschwinden, in einem gläsernen Schiff & Birkenwälder mit unfassbaren Erinnerungen hinterlassen & blaue Blumen, Schlüsselblumen für die Träume, in die sich ein Fall... Immerfort... als Würfelwurf... ein Stimmungsbild?

 

Epilog

Exhibition

Grazia Terribile zieht immer. Seitdem sie auf der Kiefern ihre Galerie hat, zieht mehr denn je. Jede Ausstellung, bereits am ersten Abend gepunktet. Deshalb leistet sie sich auch Events, die ihr nichts einbringen, ausser Ärger.

TatTwo riecht nach Ärger. TatTworiecht nach Gewalt. TatTwoist ein Floh, den Libero Concordia Grazia Terribile ins Ohr gesetzt hat.

Libero Concordia ist ein gescheiterter Pappstar, der junge Bands produziert und schlechte Plattencover entwirft. Trash, der irgendwann mal bei Grazia Terribile landen musste, die ihn auch prompt ausstellt. Was nicht weiter erwähnenswert wäre, hätte sie sich nicht auch noch mit diesem Stier eingelassen.

TatTwo riecht nach Ärger. TatTwo riecht nach Gewalt. TatTwo ist die Vernissage von Libero Concordias Ausstellung. Das unterschwellige Thema des Abends ist die Schrift des irdischen Paradies.

Ernst von Wackerzapp ist der noch-nicht-ganz-Ex von Grazia Terribile. Ein Cowboy. Die Eröffnung will er zu einem Showdown machen. Schon am Eingang gerät er in Schwierigkeiten. Der Eintritt erfolgt nur gegen Vorzeigen eines Tattoos. Zu spät merkt er, dass er seine Haut zu Markte tragen muss. Wird er sich in einen Verbrecher verwandeln, - oder ist er nun ein degenerierter Adliger?

Oli macht den Job schon seit Jahren. Er lässt sich durch nichts beeindrucken. Alles ist steril: die Maschine, die Nadel werden nach Gebrauch entsorgt. Farben sind bereitgelegt. Haut wird rasiert. Die Nadel feinnivelliert. Motive werden mit einer Schablone übertragen. Routiniert fährt Oli mit der Nadel unter die Haut. Hält exakt die Stichtiefe. Beruhigt zudem die Neueinträge mit der Nachricht, dass es sich um ein Soft-Tattoo handelt, mit dem nur die oberste Hautschicht gefärbt wird. Der Körper als Bildträger. Popmoderne Kainszeichen. Nach zwei Jahren ist alles vorbei. Die Sonne bleicht die Farbe aus.

Ernst atmet auf. Wischt sich den Angstschweiss von der Stirn. Begibt sich unter die Mischpoke. Verschafft sich eine günstige Betrachterposition. Beobachtet Libero, der damit beginnt, seine Bilder abzuhängen. Gratuliert Grazia zum gelungenen Event. Unterlegt von 94 Dezibel.

Zur Eröffnung spielt Scoredreth Eisencore. Die Sängerin versucht Stagediving und fällt voll auf die Fresse. Drei Zähne weniger tun ihrer Ausstrahlung keinen Abbruch. Der Bassist zimmert sein Instrument einem Agro in der ersten Reihe über den Schädel. ”Härte / Action / Sinnlichkeit / - / Ruhm / Reichtum / Unsterblichkeit” hämmert die Band und die Artgroupies pogen. Ernst steckt Libero Concordia das Stilett zwischen die Schulterblätter. Krankenwagensirenen kreischen. Bürgerkrieg. Niemand kömmt hier lebendig raus. Nur im Rausch gibt es ein kurzfristiges Entkommen.

 

NA ACH WO ORT

Das 'A' & 'O' von 'A' bis 'Z'. Alles oder nichts, bitte sofort. Vom Anfang zum Ziel. Schwarz auf weiß. Hinz und Kunz wollen um Form und Inhalt miteinander kommunizieren, alleine für sich stehen ohne aus dem Gesamtrahmen zu fallen in vielstmögliche Dimensionen abschweben. Was war wohl zuerst? Das Wort oder das Bild? Die Höhlenbewohner (Troglodyten - ein schönes Wort) hatten noch kein geschriebenes Wort in unserem heutigen Sinne. Sie haben Bilder an die Höhlenwände gemalt, also haben sie kommuniziert. Sie hatten Worte, denn sie hatten eine Sprache, oder haben sie nicht gesprochen? Hatten sie Worte für ihre Bilder? War zuerst das Bild an der Wand, oder das Wort im Mund?

Am Anfang war das Bild und das Bild wurde Wort und das Wort war bei Gott und das Wort wurde Buchstabe und das Wort wurde Geist und die Buchstaben bekamen Ziffern und die Ziffern wurden zu Zahlenfolgen und die Zahlenfolgen wurden zu Codes und die Codes wurden zu Codierungen und die Codierungen waren für eine neue Sprache und diese neue Sprache wurde zu einem Programm und die Sprache wurde zur Programmiersprache und die Programmiersprache war für die Computer und der Computer machte Bilder und die Bilder wurden immer wichtiger und die Worte wurden immer weniger und die Bilder wurden immer wirklicher und die Bilder wollten Wirklichkeit vermitteln und die Wirklichkeit wurde simuliert und die Simulation der Wirklichkeit wurde Wahrheit und die Wahrheit wurde Cyberspace und Cyberspace war ohne Worte und Cyberspace war programmiert und Cyberspace war eine durch Bilder simulierte “künstliche Wirklichkeit” und Cyberspace war eine manipulierte Illusion. Indirekte Manipulation funktioniert besser über Bilder. Über Bilder sind Stimmungen einfacher zu erzeugen. Bilder sind schneller. Bilder wurden immer schneller, so das Leben. Worte waren kritischer. Kritik war nicht sehr gefragt. Cyberspace war Wahrheit, Wahrheit war Wirklichkeit, Wirklichkeit war Simulation, Simulation war durch Bilder, die Bilder waren von einem Computer, der Computer war programmiert, das Programm war aus Codes, die Codes waren Zahlenfolgen, die Zahlenfolgen waren Ziffern, die Ziffern waren Worte, das Wort war Bild, das Bild war am Anfang. Oh Gott. Wir sind am Ende...

Sigrid Ortwein

 

“Du sollst Dir kein Bildnis machen!”

(Die Bibel, Aus: 10 Gebote)

“Die primitive Idee der Wirksamkeit von Bildern unterstellt, daß diese auch Qualitäten wirklicher Dinge besitzen, aber wir neigen dazu, den wirklichen Dingen die Eigenschaften eines Bildes zuzusprechen.” (Susan Sonntag)

Entstanden im: Künstlerdorf Schöppingen - Dank an Stefan Rasche für die Inspiration
Bearbeitet mit Word auf Mac im: Mecklenburgischen Künstlerhaus Schloss Plüschow
Ausgedruckt in Times für: Schachtelmuseum, Frankfurt / M. 1996

Mit freundlicher Unterstützung von: Karl-Heinz Blomann, Galerie Der Bogen / Arnsberg, studio b / Herne, Instant-Music / D-Dorf, Marion Haberstroh, Kai Mönnich, Frank Michaelis, Paul Pozozza, Wilfried Nold vom Schachtelmuseum / Frankfurt am Main.

Die Orthographie wurde unter Wahrung des Lautstands und unter Berücksichtigung der rhythmischen Eigenheiten behutsam modernisiert. Die deutsche Rechtschreibung (nach Dudenredaktion) konnte bei diesen Texten nicht angewendet werden, weil diese Schreibweisen den Bildbeschreibungen den Atem geraubt hätte.

Anmerkungen zu »Schland« - Ohr-Ratorium für einen stummen Film
Aufführungen 1992/93: Literaturtage / Wuppertal - Hörspieltage im Literarischen Colloquium / Berlin Loft Café / Düsseldorf - Galerie der bogen / Arnsberg - Kultur Ruhr / Essen

Explosé: «Schland» ist ein Zeitfetzen. Ein akustischer Raum in einem räumlichen Behältnis, dem “neuen” DeutSchland, einem fiktiven Staat, tiefste Provinz. Er folgt dem poetischen Kernsatz: “Nur die Fiktion ist noch wirklich, weil die Wirklichkeit durch mannigfaltige Wahrheiten verunstaltet wurde.” Die bisherigen Aufführungen bestätigten: Schland ist nicht nur ein Acker in Herdringen auf dem Milchproduzenten umherlaufen, Schland ist überall. Es geht (ganz im Sinne Poes: “Man sieht es und sieht doch hindurch”.) um den Blick, das Sehen, die Kurzsichtigkeit. Im Gegensatz zum, oft beliebigem High-Tech-Bilderschaschlik, wurde Schland mit einem scheinbar antiquierten Bildträger gedreht: Super 8 S/W-Material. Die Nachbearbeitung mit Tipp-Ex, Tinte, Farbstiften und das partielle Zerkratzen der Filmoberfläche kommentiert und verfremdet den Film zugleich. Genauso, wie der Blick manipuliert wird, wurde die Tonspur bearbeitet. Wir hören als Continuum: Zikaden aus dem Mittelmeerraum, Kühe vom Niederrhein, Kuhglocken aus dem Zillertal, und Unken aus dem Aquazoo. Die heile Welt als virtuelles Ereignis.

© für die Vorworte by Ferdinand Kriwet
© für die Bildnisse by Andrascz Jaromír Weigoni
© für die Nachworte by Sigrid Ortwein

Mit einer tiefen Verneigung vor der Arbeit von:
Ferdinand Kriwet, Peter Meilchen, Julia Lohmann, Britta Helmerdig, Marcel Hardung, Jürgen Diehl, Birgit Jensen, Anna Jacquemard, Almuth Hickl, Bernd Ikemann, Katja Butt und Sigrid Ortwein.

für Rolfrafael