Kurzrede auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei 2013-1

Liebe Piraten,

auch ich als Landtagsabgeordneter möchte hier mithelfen, uns in den Bundestag zu bringen.

Was in den vier Landtagen, in die wir eingezogen sind, politisch passiert ist,  geriet leider allzu oft in ein mediales Hintertreffen gegenüber den weniger schönen Nachrichten, die wir produziert haben.

Medien arbeiten immer selektiv, das ist ihr Job.
Aber es ist an uns, was wir als Nachrichten anbieten.

Also, wir wollen ja die innovative politische Kraft des 21. Jahrhunderts, der kommenden Informations- und Wissensgesellschaft sein …

Da frage ich mich manchmal, warum operieren wir eigentlich ohne Not mit den politischen Kampfbegriffen der Industriegesellschaft?

Alle Strukturen der Gesellschaft, so wie wir sie aus der Industriegesellschaft kennen, sind daran zu zerfallen. Und ihre Kadaver verpesten die Luft.

Dazu gehört nach meinem Dafürhalten auch der Begriff „sozialliberal“.

Ich denke, unsere Politik kann zunächst wertfrei und viel besser als humanprogressiv bezeichnet werden.

Was gehört dann dazu?

Wir müssen anfangen, planetarisch zu denken. Alle.

Denn wir sind mit der Endlichkeit unserer materiellen Ressourcen konfrontiert. Unwiderruflich.

Das heißt, wir sind eingebunden in ein großes Wir, das uns, unsere  belebte Umgebung und unsere Technik mit einschließt.

Der Radikale Konstruktivismus behauptet, wir konstruieren unsere Welt.

Ist davon auch nur ein Bisschen wahr, dann ist zu folgern, dass wir für unsere Konstruktionen auch verdammt nochmal die Verantwortung übernehmen sollten. Und für alles, was davon betroffen ist.

Humanprogressiv heißt, dass es um dieses Wir geht. Ein Wir, dass jenseits von Konkurrenz und Wettbewerb von Solidarität geprägt sein sollte.

Als auch an dem Wunsch nach bürgerlicher Freiheit ausgerichtete Partei verstehen wir Piraten doch sehr gut, dass echte Freiheit ohne Solidarität nicht zu denken ist.

Solidarität ist vielmehr die Voraussetzung für Freiheit – und Freiheit die Grundbedingung für echte – eben freiwillige Solidarität.

Das ist humanprogressiv!

Aber unser aller Blick ist durch einseitige Orientierung auf Wettbewerbsfähigkeit und Exportrekorde nach wie vor blockiert und das Erfahrungslernen aus dem Crash der Finanzmärkte hält sich leider in Grenzen.

Die Sozialisierung der Bankenverluste wird unsere politischen Handlungsspielräume auf Jahrzehnte weiter einengen.

Daher gilt es, gemeinsam ein breites Verständnis ökonomischer Zusammenhänge zu entwickeln, sonst werden wir weiter hinter die Fichte geführt.

Von den Leuten, die sich mit finanziellen Massenvernichtungswaffen beschäftigen.

Wir nehmen es nämlich immer noch hin, dass unsere Lebensgrundlagen von finanziellen Massenver-nichtungswaffen bedroht sind. Der Kabarettist Georg Schramm fügt mit Blick auf Warren Buffett hinzu: „Der Krieg Reich gegen Arm ist immer ein Angriff auf die Menschenwürde.“

Immer wieder. Die sogenannte Menschenwürde verbleibt dabei als hohles Etikett, solange Mitmenschen weiter erschlagen, vergewaltigt, gequält oder durch moderne Formen der Sklaverei ausgebeutet werden können.

Wir haben damit zwar einen prominenten Begriff erfunden, der es bis nach ganz vorn in viele Nationalverfassungen geschafft hat, allerdings ist es uns nicht wirklich gelungen, ihn mit Leben zu füllen.

Die finanziellen Massenvernichtungswaffen aber gewinnen ihre Gefährlichkeit aus zwei Elementen, erstens dem der Blödheit und zweitens dem der Habgier, bzw. der Boshaftigkeit.

Etwa seit Ronald Reagan beobachten wir eine epidemische Vermehrung der vulgäridealistischen Wirtschaftsapologeten, die die Welt als ein simples Input-Output-System darstellen im Sinne einer Blackbox, wo nur das Verhältnis von dem, was hinten raus kommt, zu dem, was vorne rein geht, zählt.

Und das ausschließlich auf monetärer Basis.

Rückkopplungen, Selbstreferenzen existieren in deren rein betriebswirt-schaftlich kontaminiertem Lineardenken schlicht nicht.

Da hilft es auch nicht, dass „Denktanks“ selbsternannter sogenannter Eliten wie Pilze aus dem Boden schießen.

Unsere Probleme werden nicht für uns von Gruppen gelöst, deren Mitglieder sich bei Schampus und Canapés treffen.

Denn deren Erfolge, die Erfolge dieser Eliten, sind die Erfolge von gestern, die die heutigen Probleme erst verursacht haben, folglich taugen deren Denk- und Handlungsgrundlagen nicht für das Morgen!

Dazu gehören auch, Ihr wisst schon wer, zum einen diese kleine Partei mit dem elitären Selbstverständnis, diesen erfolgreichen Jungunternehmern, die in der Politik gestrandet sind …. und auch die anderen, die sich an ihren eigenen Dogmen berauschen.

Und diese grünen Volkserzieher von der Vollkorn-CDU, die pseudo-wertkonservativen mit der Umfaller-Flexibilität eines Vollgummireifens sowie die Sozial-Traditionalisten, die immer wieder ihr eigenes Klientel verraten, siehe Agenda 2010.

Liebe Piraten, hört nie auf, anzufangen!

Hört nie auf, zu fragen!

Die Welt braucht uns!

Und erinnert euch bitte an den RFC 1855.

Vielen Dank, Rock ’n Roll im Bundestag!

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