Grußwort der Piratenfraktion zum Jahresempfang des Landesverbandes NRW des Sozialverbandes Deutschland

Sehr geehrte Frau Bertram, sehr geehrter Herr Bauer, sehr geehrte Damen und Herren,

auch ich möchte ganz herzliche Grüße unserer Fraktion übermitteln.

Gerne bin ich der herzlichen Einladung des Landesverbandes NRW des Sozialverbandes Deutschland zu diesem Jahresempfang gefolgt. Gerade Ihr Engagement in den Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Belange von Rentnerinnen und Rentnern, Behinderten und chronisch kranken Menschen kann nur als vorbildlich bezeichnet werden.

Und ihr Verband zeigt eindrucksvoll, was mit Ehrenamtlichkeit und gemeinschaftlichem Engagement in dieser Gesellschaft zu erreichen ist, nämlich Werte, die – nur in Geld – nicht gemessen werden können!

Wir Piraten sind – aus den zum Teil bitteren Erfahrungen eines Teils unserer Mitglieder – gezwungen, uns den sozialpolitischen Tagesthemen zu stellen, wenn wir etwa auch an die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Selbständigen in den neuen Berufen denken.

Es betrifft auch die Folgen, die sich aus zunehmend prekäreren Arbeitsverhältnissen unserer Heranwachsenden ergeben.

So ist es mehr als ein Alarmzeichen, wenn zur Zeit 52 % aller Arbeitsverträge der unter 35-jährigen Kurzzeit-Verträge sind.

Als auch an dem Wunsch nach bürgerlicher Freiheit ausgerichtete Partei verstehen wir daher sehr gut, dass echte Freiheit ohne Solidarität nicht zu denken ist.

Solidarität ist vielmehr die Voraussetzung für Freiheit – und Freiheit die Grundbedingung für echte – eben freiwillige Solidarität. Eine Solidarität, die Sie seit vielen Jahren vorleben.

Aber unser aller Blick ist durch einseitige Orientierung auf Wettbewerbsfähigkeit und Exportrekorde nach wie vor blockiert und das Erfahrungslernen aus dem Crash der Finanzmärkte hält sich – höflich ausgedrückt – leider in Grenzen.

Die Sozialisierung der Bankenverluste wird unsere politischen Handlungsspielräume auf Jahrzehnte weiter einengen.

Daher gilt es, gemeinsam ein breites Verständnis ökonomischer Zusammenhänge zu entwickeln, sonst werden wir weiter hinter die Fichte geführt. Von den Leuten, die sich mit finanziellen Massenvernichtungswaffen beschäftigen.

Wir in der Politik streiten gerade in Zeiten großer globaler Herausforderungen wie z.B. dem Klimawandel zu oft nur über finanzielle Aspekte.

Alles wird vermittelt über die Märkte. „Wirtschaften“ vollzieht sich über Kaufen und Verkaufen.

Jenseits der Märkte befindet sich Niemandsland. Geld ist der allseitige Maßstab.

Wenn Geld dazu missbraucht wird, nur sich selbst zu vermehren, stiftet es Unheil und führt zu gesellschaftlicher Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit.

Wir haben es deshalb auch mit einer zunehmenden Skepsis zu tun, ständig neue Wachstumsrekorde erzielen zu wollen.

Es gibt ein sehr weit verbreitetes Unbehagen in der Bevölkerung, dass die Versprechen, die mit wirtschaftlichem Wachstum verbunden waren, nämlich dass es einen sozialen Ausgleich gibt, dass wir unsere Umweltprobleme damit lösen werden, dass diese Versprechungen nicht mehr geglaubt werden, weil sie sich de facto als Illusion erwiesen haben.

Obwohl wir in einem reichen Land leben und mit immer weniger Menschen immer mehr produzieren, haben sich in den letzten Jahren unsere Probleme vergrößert, die in vollem Gang befindliche Debatte zur Altersarmut deutet an, was uns noch bevorsteht.

Ghandi hatte einmal angemerkt, die Welt habe genug für Jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für Jedermanns Gier.

Wir brauchen ein tragfähiges Zukunftskonzept für ein solidarisches Gemeinwesen und für den inneren Zusammenhalt in NRW.

Bei uns Piraten gibt es viel Sympathie für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Dies soll keine neue sozialpolitische Fata Morgana sein.

Wenn wir uns aber im Übergang von einer Arbeits- zu einer Tätigkeitsgesellschaft befinden, eröffnen sich neue Möglichkeiten, das Menschenrecht auf menschenwürdige Arbeit und menschenwürdige Muße zu verwirklichen.

Die Produktivitätsfortschritte der Vergangenheit waren gewaltig und wenn die 3-D-Technologie sowie Automatisierungsverfahren weiter entwickelt werden, eröffnen sich auch neue Perspektiven – nur – wir werden uns alle der nicht einfachen Verteilungsfrage stellen müssen.

Auf dem Weg dahin gibt es viele kleine Schritte, von Arbeitszeitverkürzung – bei vollem Lohn- und Personalausgleich – bis hin zur Rücknahme des Sozialstaatabbaues durch die Agenda 2010.

Solidarität ist nur förderbar durch eine gerechte Lastenverteilung und eine Verbesserung der Einnahmenseite, damit unsere öffentliche Daseinsvorsorge, unsere öffentlichen Ressourcen und die Versorgungsstandards gepflegt, verbessert und auch finanziert werden können.

Die vielbeschworene Nachhaltigkeit hat drei Säulen, neben der ökologischen und der ökonomischen ist es die soziale Säule, in der Ihr Verband ein gewichtiger Baustein ist.

Und ich darf daran erinnern, dass gerade in Südeuropa an diese Säule die Kettensäge angelegt wird. Wir als Deutsche dürfen das nicht hinnehmen.

Sie leisten als Verband als Vertreter einer großen Gruppe von Betroffenen einen wertvollen Beitrag in der Debatte.

Wir müssen auch lernen, den Bürgerinnen und Bürgern eine neue politische Kultur zu vermitteln.

Teilhabe darf nicht nur eine Floskel sein, sondern bedeutet in einer Demokratie auch intensiven Diskussionsaustausch.

Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen!

Wir wünschen uns, dass sie sich weiterhin einmischen und weiterhin die nötige Beharrlichkeit und ihre Standhaftigkeit behalten, sich für Menschen in schwierigen Lebenslagen einzusetzen und ihnen eine starke Stimme zu geben.

Wir werden Sie dabei mit Tat und Kräften unterstützen.

Herzlichen Dank!

Rede, gehalten von Joachim Paul am 10.04.2013 auf dem Jahresempfang des Landesverbandes NRW des Sozialverbandes Deutschland im Museum Kunstpalast in Düsseldorf

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