TOP 8, 15.12.2016 – LT NRW – Die Sache mit der VG Wort

Meine Rede zu unserem Antrag „Rahmenvertrag zwischen Kultusministerkonferenz (KMK) und VG Wort gefährdet gute Lehre“ – Antrag der Fraktion der PIRATEN – Drucksache 16/13680
in Verbindung damit – Digitalisierung der Lehre nicht ausbremsen – Rahmenvertrag über die Intranetnutzung neu verhandeln! – Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/13695 – und –
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/13789

Aus dem Plenarprotokoll:

Präsidentin Carina Gödecke: Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der Piraten Herr Dr. Paul das Wort.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir behandeln heute einen Antrag, den man auf den ersten Blick als obsolet erachten könnte, denn die Kultusministerkonferenz und die Verwertungsgesellschaft Wort haben sich mittlerweile auf eine Arbeitsgruppe verständigt, um eine neue Rahmenvereinbarung zu schließen. Wir denken aber, dass es trotzdem wichtig ist, hier im Landtag darüber zu diskutieren und es zur Sprache zu bringen, denn das Verfahren wirft für uns einige Fragen auf.

Erstens. Wieso hat die Kultusministerkonferenz überhaupt einen solch indiskutablen Rahmenvertrag geschlossen? Welche Denke steht dahinter, die die Hochschulen in ein förmliches Bürokratiechaos geworfen hätte?

Zweitens. Wie kann ein solcher Rahmenvertrag geschlossen werden, wenn man doch ach so sehr auf die digitale Bildung setzt?

Drittens. Muss eigentlich immer erst das sprichwörtliche Kind in den Brunnen fallen, bevor man reagiert bzw. regiert?

Darüber ist deutlich und laut anzuerkennen, dass sich Nordrhein-Westfalen dafür eingesetzt hat, dass die Beteiligten sich wieder an einen Tisch setzen. Das muss hier betont werden. Fast wäre das verzockt worden.

Exemplarisch möchte ich noch einmal kurz darstellen, was die Universität Osnabrück nach der Schließung des Rahmenvertrags einmal durchgespielt hat. So schreibt die Universität in ihrem Bericht über die Auswertung des Vorlesungsverzeichnisses des Wintersemesters 2014/15: Den erfolgten Meldungen mit einem Kostenumfang von ca. 5.000 € bei 8 Cent pro Seite und Teilnehmer stehen erhebliche Aufwände bei Verwaltung, Serviceeinrichtungen und Lehrenden gegenüber.

So investierten Lehrende mindestens 3.900 Minuten – 65 Stunden – in die reinen Meldevorgänge – zusätzliche Recherchen, Informationen und Rückfragen dabei nicht eingerechnet. Für den laufenden Support, um Lehrende zu informieren und zu beraten, wären für die Universität Osnabrück dauerhaft ca. 25 % einer qualifizierten Stelle notwendig gewesen. Weiterer Aufwand würde darüber hinaus zukünftig durch die interne Abrechnung entstehen, die eben nicht Teil dieses Pilotprojektes war.

Nicht auszudenken, was das für die dichteste Hochschullandschaft der Welt hier in Nordrhein-Westfalen bedeutet hätte! Das lässt sich nur erahnen.

Für uns entscheidend – und ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, das zu erwähnen – bleibt aber nach wie vor die Frage nach dem Umgang mit den Urheberrechten im Allgemeinen.

Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken das Potenzial der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis des sogenannten geistigen Eigentums basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegenwirkt. Man muss sogar sagen: In historisch-rechtsvergleichender Hinsicht gibt es kein einheitliches Begriffsverständnis dieses Begriffs „geistiges Eigentum“.

Da sich die Kopierbarkeit digital vorliegender Werke technisch eben nicht sinnvoll einschränken lässt und die flächendeckende Durchsetzbarkeit von Verboten auch im privaten Lebensbereich als gescheitert betrachtet werden muss, sollten die Chancen der allgemeinen Verfügbarkeit von Werken erkannt und genutzt werden – auch wirtschaftlich genutzt werden.

Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als eine natürliche betrachtet werden sollte und sie die Interessen der meisten Urheber entgegen anderslautender Behauptungen bestimmter Interessengruppen eben nicht negativ tangiert. In der Vergangenheit konnte auch kein solcher Zusammenhang schlüssig belegt werden.

In der Tat existiert eine Vielzahl innovativer Geschäftskonzepte, welche die freie Verfügbarkeit bewusst zu ihrem Vorteil nutzen und die Urheber unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen machen können. Daher fordern wir, das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern auch explizit zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern. Dies stellt eine essenzielle Grundvoraussetzung für die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft dar.

(Beifall von den PIRATEN)

Darüber hinaus – und ich darf nicht unterlassen, das hier zu sagen – erkennen wir die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an. Die heutige Regelung der Verwertungsrechte wird einem fairen Ausgleich zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber und dem öffentlichen Interesse an Zugang zu Wissen und Kultur jedoch nicht gerecht. Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines neuen Werks in erheblichem Maße auch auf den öffentlichen Schatz an bereits existierenden geistigen Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken – letzter Satz – in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essenzieller Wichtigkeit.

Meine Fraktion wird allen drei Anträgen zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Freimuth das Wort.

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