Offener Brief an die Redaktion der Zeitschrift EMMA und an die Herausgeberin Alice Schwarzer

Sehr geehrte Frau Schwarzer, sehr geehrte Redaktion der EMMA!

Hmmpff.

Das war meine erste Reaktion, als ich von der Verbrennungsaktion bzgl. der lezten EMMA-Ausgabe hörte.

Durchaus verstehen kann ich es, wenn in ihrer Redaktion vor Jubel aufgeschrien wird. Aufgeschrien deshalb, weil ein oder zwei Mitglieder der Piratenpartei ein Exemplar der letzten Ausgabe Ihrer Zeitschrift symbolisch verbrannt, diesen Vorgang fotografiert und das Foto anschließend mehr oder weniger pressewirksam getwittert haben.

Die Faktenlage: Ein unsagbar schlecht recherchierter und verlogen geschriebener Artikel in der EMMA über die Piratenpartei mit dem Titel „Frauen im Boot bringen Unglück!“ zieht die unsagbar bescheuerte Aktion des Verbrennens einer EMMA-Ausgabe durch einige Vollhonks nach sich, die Parteimitglieder sind.

Als Mitglied der Piratenpartei fremdschäme ich mich. Ohne Wenn und Aber. „Verbrennen“ geht ja gar nicht. Da mag der Artikel noch so verlogen sein.

Diese Aktion ist so unfassbar dumm, und nützen tut sie, wenn überhaupt, dann nur Ihnen. So als Aufbesserungsaktion Ihrer rückläufigen Auflagenzahlen, als Trittbrettfahren beim akuellen Popularitätsanstieg der Piraten. Und natürlich beim Schüren des Vorurteils, die Piraten seien ein orangener frauenfeindlicher Männerbund mit braunem Kern.

Dass Sie uns als Partei schon eine Weile „auf dem Kieker“ haben, ist ja unübersehbar. Da wird von Ihnen eine Leena Simon als weibliches Opfer hingestellt, deren Anspruch auf Diskussion von Männern auf dem Parteitag in Bingen angeblich niedergebrüllt worden sein soll. Dabei hat Frauchen Simon mit ihrem Aufschlag auf dem Bundesparteitag lediglich nur noch einmal eindrucksvoll nachgewiesen, dass – völlig gleichberechtigt – Narziss auch weiblich – als Narzisse – komplett durchdekliniert werden kann. Und viele Piraten haben sich gewehrt, weil sie ihren Parteitag nicht solchermaßen instrumentalisiert sehen wollten.

Wie dem auch sei, ich glaube nicht wirklich, dass Sie mit der Verbrennungsaktion Ihres Heftes Irgendwas zu schaffen haben.

Aber mal so als Gedankenspiel, nehmen wir doch mal an, ich oder irgendjemand Anderes würde darauf insistieren, dass das eine verdeckte EMMA-Aktion war. Würden Sie sich dann über Verlogenheit und Durchtriebenheit in der Piratenpartei beschweren? Sie würden doch keine Gelegenheit auslassen, gelle? Genau. Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.

Wie sollen wir mit den EMMA-Verbrennern umgehen, sollen wir das überhaupt, was meinen Sie? Die haben ja im Grunde nur gezeigt, dass sie mit dem ICE durch die eigene Kinderstube und durch ihren Geschichtsunterricht gebraust sind. Mein Vater – ich bin 54 – hätte das noch als Dumme-Jungen-Streich gewertet und mit einem „Satz heißer Löffel“ geregelt. Ich selbst war im ersten Moment ungeheuer entsetzt und schwankte zwischen dem Geschenkversand einer kommentierten Ausgabe von Ray Bradbury’s „Fahrenheit 451“ und dem Anstrengen eines PAV, eines Parteiausschlussverfahrens. Ich werde beides lassen. Der Bundesvorstand der Piratenpartei, das Schiedsgericht und auch meine Person haben definitiv Besseres zu tun.

Und Sie, Frau Schwarzer, sie spielen ihre mediale Rolle, und Sie füllen sie vollständig aus. Mittlerweile ist ja auch Bild ihre Spielwiese. Zumal Sie nach Erhalt ihres gesamtgesellschaftlichen Heiligenscheins nicht nur zu Talkshows sondern auch zu Quizshows eingeladen werden.

Da ist es natürlich extrem störend, wenn politische Kräfte und Bewegungen auftauchen, die – allein aufgrund ihrer Herkunft aus dem Netz – diese medialen Rollenspiele hinterfragen, sie entweder nicht mitspielen oder ihre eigenen Akzente setzen wollen. Klar müssen das Männer sein, alles andere würde ja nicht passen.

Und was schon gar nicht passt, ist die blanke Tatsache, dass Frauen, die eine politische Karriere anstreben, in der Piratenpartei mit Abstand am besten aufgehoben sind.
Für die Wahlen zum letzten Bundesvorstand kandidierten 2 Frauen und 23 Männer. Gewählt wurden 5 Männer und 2 Frauen. Jüngst wurde neurologisch eindrucksvoll nachgewiesen, dass auch das „Rechnen können“ keine männliche Domäne ist, im Grunde nie eine war. Folglich sollte Ihnen klar sein, was das oben angegebene Zahlenbeispiel bedeutet.

Ihr Beitrag in EMMA jedoch sprach eine andere Sprache. Und zwar die, dass „Qualitätsjournalismus“ und EMMA im Grunde zwei voneinander wohl unterscheidbare Dinge sind.

Warum bringen Sie nicht mal ein längeres Portrait einer kompetenten Feministin? Z.B. Julia Kristeva? Dann würde sogar ich mir wieder mal ein Heft kaufen.

MfG, Pirat Nick H.

4 Gedanken zu „Offener Brief an die Redaktion der Zeitschrift EMMA und an die Herausgeberin Alice Schwarzer

  • 15. August 2013 um 23:54 Uhr
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    Ein pressewirksames Verbrennen sorgt natürlich für zusätzliche Bekanntheit des Verbrannten. Das lässt sich nicht verhindern. Allerdings muss es dann so gemacht werden, dass ein unvermeidbarer Nachgeschmack bleibt. Jede Aktion brächte aber zusätzliche Bekanntheit. Das einzige, was keinen zusätzlichen Wirbel verursachen würde, wäre Nichtbeachtung. Dann hätte man gegen den Artikel aber auch nichts getan. *logisch*

  • 1. Januar 2012 um 21:08 Uhr
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    Lieber Nick,

    die Emma-Verbrennungs-Aktion war doppelt dumm. In der letzten Zeit ist ohnehin zu beobachten, dass sich rechtsextreme Strömungen z.B. in der Jugendförderung etc. engagieren und dadurch auch nachvollziehbare Fragen für sich zu Werbezwecken zu vereinnahmen. Wobei Dinge wie soziales Engagement per se natürlich nichts schlechtes oder gar typisch rechtsradikales ist. Ähnlich mit dem Feminismus. Die damit einhergehenden Misstände traut sich kaum jemand von den anderen Parteien anzugehen bzw. sich zu widersetzen, weil es insbesondere das rechte Spektrum verstanden hat, die Problem-Punkte für sich zu pachten (diverse antifeministische Foren). Nur auch hier gilt: wenn ein Arschloch sagt, die Sonne scheint, geht sie deswegen nicht unter.
    m.E. linke/liberale Blogger (wie Spiegelfechter oder Oeffinger Freidenker), die sich vereinzelt und erfreulich differenziert zum Feminismus geäußert haben, sind leider eine Seltenheit.
    Im Zweifel wird halt doch lieber (sicherheitshalber) gelobhudelt, um nicht im „rechten“ Licht zu stehen. Zudem gehört es natürlicherweise quasi zum guten Ton alles unter dem Label Feminismus gut zu finden, egal, wie dumm oder sogar menschenverachtend es daher kommt.
    Wenn man jetzt anfängt, nicht genehme Artikel öffentlich zu verbrennen, dann unterstützt auch das die entsprechende Symbolik der Nazis und gleichzeitig die Zensur und Sperrpraxis im Umgang mit Andersdenkenden, wie sie feministischen Portalen eigen ist. Die Piraten sollten den Bonus nutzen, sich von den Grünen oder die Linke in der Genderfrage abzugrenzen und Vernunft und Gerechtigkeit dahingehend den Vorzug geben vor ideologischer Verbissenheit. Geschlecht alleine sollte keine Rolle mehr spielen.

    LG,

    Jan

  • 24. Dezember 2011 um 11:21 Uhr
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    Andreas Kemper in seinem Blog: „Wenn so unsachlich geschrieben wird, müsse man sich über die Wut, die zu solchen Aktionen führt, nicht wundern. So ungefähr Nick Haflinger, Cymaphore und Elle Nerdinger in ihren Reaktionen. Das ist das Problem am Post-Gender-Ansatz: Es soll Gleichheit sein, es soll nicht nach Ursachen für Ungleichheit geschaut werden. “ http://andreaskemper.wordpress.com/2011/12/23/piraten-post-gender-nichts-tun-wenns-brennt/

    Das ist eine sehr freie Interpretation, die ich zurückweise. Ich habe die Wut der Verbrenner mit keinem Wort durch die Unsachlichkeit des Emma-Artikels gerechtfertigt. Und die Verknüpfung mit dem Post-Gender-Ansatz – den ich übrigens nicht teile – erschließt sich mir nicht, sie geht ebenfalls auf Dein Konto. Mir ging es um Spiele mit der Macht der Aufmerksamkeitsökonomie. Mal ganz ohne den Gender-Aspekt. Wer das unbedingt braucht, kann den da aber gerne wieder reininterpretieren, ich spiele da nicht mit und ich lasse mir das nicht aufzwingen.
    Nick H.

  • Pingback: Piraten-Post-Gender: Nichts tun, wenns brennt – Andreas Kemper

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