TOP 5, 07.10.2016 – LT NRW – Große Anfrage der FDP-Fraktion zu NRW in der digitalen Welt

Meine Rede zu TOP 5 am 07. Oktober 2016, Nordrhein-Westfalen in der digitalen Welt – „MegaStark“ oder eher schwach? Was hat die Landesregierung seit der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin am 29. Januar 2015 bisher erreicht? – Große Anfrage 20 der Fraktion der FDP – Drucksache 16/11308 – Antwort der Landesregierung – Drucksache 16/12206 – Entschließungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/13103

Aus dem Plenarprotokoll:

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist inzwischen mehr als eineinhalb Jahre her, dass sich Ministerpräsidentin Kraft dazu entschlossen hat, die Digitalisierung zum Thema ihrer „MegaBits. Mega-Herz. MegaStark“- supergeilen Regierungserklärung zu machen.

Daher war es natürlich auch ein legitimes Anliegen der Kollegen von der FDP-Fraktion, einmal nachzufragen, was aus den Absichtserklärungen der Landesregierung denn nun geworden ist.

Aus der Großen Anfrage der FDP-Fraktion lernen wir gleich im ersten Satz, dass es denkende Maschinen gibt, und weiter hinten steht, dass Talente digital sein können. Zumindest in Sachen sprachlicher Präzision ist die FDP-Fraktion mit ihrem Buzzword-Populismus krachend durch den Beta-Test gefallen.

Aber ähnlich lieblos wie die Landesregierung nach der Regierungserklärung von Frau Kraft im Januar 2015 agierte – von einem Erfolg kann man bei aller Sympathie kaum sprechen –, ist nun auch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage heruntergeschrieben worden. Entlarvend ist dabei aber der Zugang zum Thema Digitalisierung durch die beteiligten Akteure, durch die Fragenden und durch die Antwortenden.

Für die Landesregierung antwortet das Wirtschaftsministerium. Die FDP-Fraktion stellt in ihrem Entschließungsantrag hauptsächlich die wirtschaftlichen Faktoren in den Vordergrund. Das Potenzial der digitalen Revolution steht aber auf sehr viel breiterem Fundament, als es hier verkürzt behandelt wird. Deswegen sehen wir diese Große Anfrage als vertane Chance.

Mir kommt in dieser Debatte viel zu kurz, welche Möglichkeiten in dem Verfügbarmachen von öffentlichen Daten liegen – also Open Data –, welche befreiende Wirkung der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur entfalten kann – also Open Access –, wie sich Verwaltungshandeln in transparenter Weise öffnet und effektiver gestaltet wird – E-Government – und welche Chancen in den onlinebasierten Partizipationsmöglichkeiten von Menschen liegen, die sich bis jetzt viel zu wenig in die politische Willensbildung eingebracht haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Mir kommt weiterhin das Recht auf informelle Selbstbestimmung zu kurz, das Recht auf Verschlüsselung. Denn nicht nur die Gier der privaten Datensammler, auch die geheimdienstliche Überwachung der Gesellschaft ist nach wie vor da und ungelöst.

Mir kommt zu kurz, wie die Landesregierung IT-Sicherheit für Privatpersonen, aber auch für Unternehmen und Behörden herstellen und sicherstellen will.

Was ist mit der digitalen Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land? Was passiert mit der zu erwartenden Automatisierungsrendite? Wie viel davon wird dem Gemeinwohl und den Menschen in Nordrhein-Westfalen zugutekommen?

Zu all diesen spannenden Themen haben wir Piraten in den letzten vier Jahren Anträge vor-gelegt. Dabei ging es uns nie um einen digitalen Hype. Nein, wir haben uns immer auch kritisch mit den Auswirkungen der Digitalisierung auseinandergesetzt und diese offen angesprochen.

Denn die digitale Revolution – gleichermaßen Chance und Gefahr – ist eine technologische historische Kraft, die eine positive befreiende Wirkung auf den einzelnen Menschen, auf die Gesellschaft als Ganzes ausüben kann, wenn wir sie richtig gestalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Das heißt vor allem: Bewusst gestalten, mit klarem Kopf und nicht bewusstlos hineinstolpern in das Informationszeitalter so, wie wir damals in die Industrialisierung gestolpert sind. Wir wissen doch – neben den ohne Zweifel positiven Elementen –, welche gewaltigen sozialen Verwerfungen das damals ausgelöst hat.

Fakt ist, dass für das bewusste Gestalten Grundlagen gelegt werden müssen. Wir Piraten haben uns von Anfang an im Landtag im politischen Diskurs für ein flächendeckendes Glasfasernetz eingesetzt, damit alle davon profitieren können. Diese Notwendigkeit ist erfreulicherweise inzwischen in den Forderungen der FDP-Fraktion wie auch zumindest in den Absichtserklärungen der Regierung aufgenommen worden.

Ebenso fordern wir mehr Kraft für digitale Themen in den politischen Prozessen – Stichwort Digitalministerium und Ausschuss für Digitales.

Daher will ich gar nicht in Abrede stellen, dass einige der vorgelegten Punkte im Entschließungsantrag der FDP-Fraktion in die richtige Richtung gehen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Landesregierung hier nicht nur redet, sondern auch handelt.

Meine Damen und Herren, wenn man bei der Antwort der Landesregierung die eine oder andere Floskel weglässt, bleibt eigentlich nur noch Klein-Klein übrig. Es ist schon eine gummiartig zähe Angelegenheit, wie die Landesregierung mit der Gestaltung der digitalen Revolution ringt. Die FDP-Rhetorik der Großen Anfrage ist auch nicht besser. Das stimmt mich wirklich traurig.

Dennoch: Der Entschließungsantrag der FDP-Fraktion enthält einiges Richtige, das wir hier auch gefordert haben. Er ist ja ein Teilstück von unseren Forderungen; Sie haben da abgeschrieben. Wir werden Ihrem Entschließungsantrag souverän zustimmen, weil wir es können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Nächster Redner ist der fraktionslose Kollege Schwerd.

2. Wortmeldung

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister Schmeltzer. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um zwei Minuten und 30 Sekunden über-zogen. Diese Zeit steht grundsätzlich natürlich auch noch den anderen Rednern respektive den Fraktionen zur Verfügung. – Für die Piratenfraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Dr. Paul gemeldet.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Minister, für die zusätzliche Redezeit.

Uns wird ja gerade beim Thema „Digitales und Breitbandausbau“ immer vorgeworfen, dass alles viel zu teuer und nicht finanzierbar sei. Ich möchte dazu einmal einen grundsätzlichen Satz loswerden: Unsere Gesellschaft in Deutschland ist seit den Nuller-Jahren – mit einem kleinen Knick in der Zeit um 2007/2008 – stetig reicher geworden. Wenn Sie mir sagen, wo die ganze Kohle geblieben ist, sage ich Ihnen, wie wir das finanzieren. – Vielen Dank und schöne Herbstferien!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Dr. Paul. – Gibt es weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren? – Das ist offenbar nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass die Große Anfrage 20 der FDP-Fraktion erledigt ist.

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